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Gestüt will Ausgleich für tote Pferde

Wölfe sollen 2013 ein Unfalldrama bei Zehren im Landkreis Meißen ausgelöst haben. Doch der Freistaat zahlte bisher keinen Cent.

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© Roland Halkasch

Von Peter Anderson

Diera-Zehren. Peter Kunath weiß nicht so richtig, wie er sich fühlen soll: Einfach nur veralbert von der Justiz oder sogar schon durch sie betrogen? Der Pferdezüchter aus dem Örtchen Mischwitz bei Meißen hält ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden in den Händen. Seine Klage auf Schadensausgleich nach dem Sächsischen Naturschutzgesetz werde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens habe er zu tragen, heißt es darin lapidar. Zwei knappe Sätze, hinter denen sich ein Drama versteckt, wie es Sachsen in dieser Zuspitzung bis dahin noch nicht erlebt hatte.

Ihren Ausgang nimmt die Geschichte am späten Abend des 10. Dezembers 2013 auf einer Koppel in Mischwitz an der Elbe. Der linkselbisch gelegene Ortsteil des vor allem durch ihr Schloss bekannten Gemeinde Diera-Zehren zählt Einwohner im einstelligen Bereich. Seit 1999 züchten Silke und Peter Kunath hier im Gestüt am Kirschberg erfolgreich edle Pferde.

Es ist 15 Minuten vor 23 Uhr, Peter Kunath will gerade ein Bad nehmen, da steht plötzlich eine Frau vor der Tür und berichtet, eine Herde sei von der Koppel unten an der Elbe ausgebrochen. Im Nu sind Peter Kunath und seine Frau an der Straße. Als sie ankommen, ist die Polizei schon da. Bei Keilbusch fangen Halter und Helfer die Pferde ein. Anschließend führen sie die Tiere gemeinsam an der B 6 entlang, um sie über einen abgekürzten Weg zum Gestüt oberhalb der Straße zu bringen.

Schaden von fast 68 000 Euro

Peter Kunath geht vornweg mit einem Wallach, dem Leittier der Herde. Die restlichen Pferde folgen mit den zwei Frauen. Alles scheint gut zu gehen, der Zug ist schon ein paar Hundert Meter weit gekommen. Plötzlich springt der Wallach herum, irgendetwas hat ihn furchtbar erschreckt. Das scheucht die anderen elf Pferde auf, sie rennen los, nach unten, Richtung Bundesstraße. Die Polizistin versucht noch, mit einer Lampe Autofahrer auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Doch dann geht an der Stelle unweit des Gasthauses Güldene Aue alles ganz schnell.

Gleich drei Autos fahren heran, zwei aus Richtung Zehren, eines aus Richtung Meißen. Sie haben in der Dunkelheit keine Chance mehr, rechtzeitig zu bremsen. Neun der zwölf Pferde verenden teils unmittelbar bei dem Unfall oder müssen kurz darauf durch Gnadenschüsse von ihren Leiden erlöst werden. Insgesamt entsteht durch den Tod der Tiere ein Schaden von knapp 68 000 Euro. Eine 39-jährige Frau und ein 24-jähriger Mann kommen nach dem Zusammenprall auf der B 6 schwer verletzt ins Krankenhaus.

Sofort nach dem tragischen Geschehen beginnt die Suche nach den Ursachen. Dabei erhärtet sich aus Sicht der Züchter die These, ein Wolf oder sogar mehrere Wölfe könnten die Tiere derart erschreckt haben, dass sie gleich zweimal ihr Heil in der Flucht suchten. „Es sind damals unter anderem Spuren und Kot vom Wolf gefunden worden“, so Peter Kunath. Zur Zeit des Unglücks habe es Sichtungen von mindestens einem der Raubtiere in der Gegend gegeben. Dies alles sei kein Zufall.

Tatsächlich berichten Jäger bereits seit 2010 davon, dass es die Tiere über die Elbe geschafft haben. Der Wolf ist ein sehr guter Schwimmer. Zwischen seinen Zehen besitzt er eine Haut, mit welcher er die Fläche seiner Pfote beim Schwimmen vergrößern kann. Das Überwinden selbst eines breiten Flusses wie der Elbe bereitet ihm keine Schwierigkeiten.

„In den Augen der Richterin hat das alles keine Rolle gespielt“, beschwert sich Peter Kunath. Die Juristin habe in der mündlichen Verhandlung sogar angezweifelt, dass Pferde überhaupt Fluchttiere sind. „Damit wird Jahrtausende altes Wissen lächerlich gemacht“, so der Züchter.

Wolf muss zugebissen haben

In der schriftlichen Begründung des Urteils spielen die Belege für eine Anwesenheit des Wolfes in Mischwitz unterdessen nur eine nachgeordnete Rolle. Entscheidend für das Nein zu Ausgleichszahlungen sei, dass der Wolf höchstens Auslöser für den Tod der neun Pferde war. Das Sächsische Naturschutzgesetz verlange im Gegensatz dazu, dass die Opfer direkt von dem Raubtier gerissen oder tödlich verwundet sein müssen. Nur dann könne Geld fließen.

Für Peter Kunath ist das Wortklauberei, welche an der Realität vorbeigeht. Dies widerspreche seinem Rechtsempfinden. Er werde nicht aufgeben und vor das Sächsische Oberverwaltungsgericht ziehen.